Mit einem moderierten Zeitzeugengespräch schloss der erste Tagungstag: Dr. Klaus Zeh, ehem. Mitglied des Demokratischen Aufbruchs tauschte mit Jan Pagels, der kurzfristig für den erkrankten Dr. Axel Hartman eingesprungen ist, Erinnerungen und Bewertungen aus: Dabei verknüpften sich unterschiedliche chronologisch-biographische Zugänge, aber auch geographische Unterschiede: Während Herr Zeh 1989/90 Familienvater war und in Thüringen politisch aktiv wurde, stand Jan Pagels nach dem Abitur in Mecklenburg vor dem Beginn seines Wehrdienstes in der DDR, den er am 1.11.1989 auch antrat. Heute ist Klaus Zeh im Ruhstand und Jan Pagels steht, in Hamburg wohnend, als Landesbeamter von Mecklenburg-Vorpommern mitten im Berufsleben.
Der zweite Tagungstag begann für das Catering-Team schon früh: Um 9.00 Uhr waren die Schüler vor Ort, die Tagungsteilnehmer trafen durchaus später ein, freuten sich aber über einen warmen Kaffee oder Tee. Um 10.00 Uhr startet dann Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller (Jena) mit seinem Vortrag „Die Umbruchszeit nach 1989/90 in Deutschland und Ostmitteleuropa“ und zeigte dabei auf, wie sehr der nationale Blick auf 1989/90 sich auf eine europäische Perspektive erweitern muss, gerade bezogen auf Ostmitteleuropa (u.a. das Baltikum, Polen oder Ungarn) und der Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten. Über die Ausführungen Jörg Ganzenmüllers wurde unter der Zuhörerschaft intensiv diskutiert, dann folgte eine zweite Staffel von Workshops mit den folgenden Themen und Referenten:
- „Demokratie – Jetzt oder Nie!“ – Lebensnahe Quellen zum Aufbruch in die 1990er Jahre. (Dr. Frank Britsche, Lehreinheit Geschichtsdidaktik, Universität Leipzig)
- „Mauerpost“, „Grenzgänger“ oder „Wir sehen uns im Westen“: Historisches Lernen an und mit aktuellen Jugendromanen in fächerverbindenden Projekten und im Geschichtsunterricht. (Dr. Monika Rox-Helmer, JLU Gießen; Didaktik der Geschichte)
- „Fröhlich sein und singen, stolz das blaue Halstuch tragen …“ (Organisierte) Jugend in der DDR. (Jana Möhrke, Studienseminar für Gymnasien Fulda)
Nach einer von Diskussionen (und einem Angebot von mehr als 100 Brezeln und von den Schülern belegten Brötchen) geprägten Mittagspause folgte der letzte Programmpunkt: Martin Handke (Hamburg), Katharina Hochmuth (Berlin), Dr. Frank Schwppenstette (Köln) und Dr. Helge Schröder (Hamburg) diskutierten mit intensiver Beteiligung der Zuhörenden unter Moderation von Dr. Heidi Martini (Hamburg) über „Vereinigungsprozess und Umbruchszeit nach 1989/90: Konsequenzen, Chancen und Bruchstellen für Unterricht und Lehrerbildung“. Ein wichtiges Fazit: Die Geschichte der Jahre 1989/90 und ihrer Vor- und Nachgeschichte ist nicht ein wichtiges, sondern auch für Schülerinnen und Schüler anregendes und motivierendes Themenfeld, denn der Fundus an unterschiedlichsten medialen Quellen, einschließlich von Zeitzeugen, ermöglicht neben den wichtigen Inhalten auch das Erlernen zentraler Kompetenzen für einen zeitgemäßen und zukunftsorientierten Geschichtsunterricht.
Die Bundesstiftung Aufarbeitung, der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands mit dem Fachverband Geschichte und Politik Hamburg und das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulenentwicklung Hamburg sind sich in einem Punkt absolut einig: Diese Konferenz war in Präsenz (nach den Corona-Schließungen) notwendig und sinnvoll, sie hat einen großen Ertrag für die Teilnehmenden gebracht und sie hat die Bedeutsamkeit des Themas für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft unterstrichen.
Helge Schröder, Hamburg