Dann kamen die ersten beide Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts und damit eine Reihe von Schulreformen. Diese mussten wie epochale Wetterereignisse begriffen und getragen werden:
Schulzeitverkürzung
Der neue CDU-Bürgermeister Ole von Beust – nach 40 Jahren SPD-Vorherrschaft ein echter Wechsel – verkürzte die Schulzeit bis zum Abitur von neun auf acht Jahre und führte in diesem Zusammenhang auch den Nachmittagsunterricht (bzw. die verbindliche Mittagspause) an allen Hamburger Gymnasien ein. (Ein Hintergrund war, dass so Sondermittel der Bundesregierung zum Ganztagsausbau von Schulen abgerufen werden konnten.) Für Schüler, Lehrer und Schulleitung war diese zeitliche Verkürzung mit vielen Mühen und Umbrüchen verbunden: Die Lehrpläne aller Fächer mussten umgestellt (auch gekürzt!) werden, dabei rutschten so manche Themen in Altersklassen, für die sie nicht so geeignet waren. Also veränderte sich auch die Art des Unterrichtens bestimmter Themenbereiche.
Die nunmehr auch von der Stundenzahl vollgepackten acht Gymnasialjahre veränderten auch das Schulleben: Die Schüler hatten weniger Muße und Zeit für Arbeitsgemeinschaften, freiwillige Initiativen und andere Aktivitäten und waren insgesamt angestrengter, insbesondere ab der oberen Mittelstufe (Klasse 9). Auch die Verkürzung der gymnasialen Oberstufe auf die beiden Abiturjahre machte sich bemerkbar, denn der Sprung von der Klasse 10 in das erste Semester macht bis heute so manchem Schüler zu schaffen.
Zentrale Abschlussprüfungen:
Zu einem weiteren Vorzeichenwechsel führte die Einführung des Zentralabiturs (schrittweise, zunächst für Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen, später für (fast) alle Fächer) und von verbindlichen Abschlussprüfungen (=Vergleichsarbeiten) in der Klassenstufe 10. Nun galt es auch für Hamburger Schüler und Lehrer, ein festgelegtes Curriculum so abzuarbeiten und aufzubereiten, dass ein möglichst gutes Abschneiden ermöglicht wurde. Der Wettbewerb wurde schärfer, das Abschneiden der benachbarten Schulen immer wieder genau beobachtet und jede ausgefallene Unterrichtsstunde als fehlende Vorbereitung verbucht – auch das führte zu weniger anderen Aktivitäten wie Projektarbeiten oder Exkursionen. Als positiv erwies sich dabei, dass die engagierte und ergebnisorientierte Arbeit an der eigenen Schule sich nun auch in entsprechenden Abschlussergebnissen der zentralen Prüfungen niederschlug. Der leistungsorientierte Ruf der Schule konnte bestätigt werden.
Profiloberstufe
Als reichten Schulzeitverkürzung und zentrale Abschlussprüfungen nicht aus, entschied sich die Politik, ein Oberstufenmodell aus Süddeutschland auf Hamburg zu übertragen. Seitdem gehört das System aus Grund- und Leistungskursen, das seit Anfang der 1970er-Jahre die Oberstufe geprägt hatte (und das – siehe oben – in Hamburg am GOA maßgeblich mit entwickelt worden war) der Geschichte an. Alle Schüler mussten fortan Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache vierstündig belegen und hieran bestimmte Profilfächer anschließen. Sie wählten aus wenigen, festgelegten Profilen aus, statt sich ein eigenes Menü aus Kursen zusammenzustellen. Die Hoffnung, dass neben der Stärkung der Kernfächer sich so in den Profilen fächerübergreifendes Arbeiten verstärken ließe, zerschlug sich in dem Moment, in dem das Zentralabitur eingeführt wurde: Die Zentralabiturvorgaben der jeweiligen Fächer rückten in den Vordergrund.
Sechsjährige Grundschule
Der erstmals durch CDU und GRÜNE gebildete Senat verabredete 2008 die Einführung einer sechsjährigen Grundschule auch in Hamburg. Das hätte für die Gymnasien den Verlust der beiden Jahrgänge 5 und 6 bedeutet, in Verbindung mit der Schulzeitverkürzung wäre aus dem neunjährigen ein sechsjähriges Gymnasium geworden. Diese Schulreform scheiterte schließlich in einem Volksentscheid 2011. Das GOA behielt die Jahrgänge 5 und 6.
Lernen mit digitalen Medien
Eine zweite Entwicklung war langsam, vielen zu langsam, anderen zu schnell. Die „digitale Revolution“ erfasste auch das Gymnasium Oberalster. Hier zeigte sich die Schule offen und machte ihrem Ruf alle Ehre: Schon frühzeitig wurden Smartboards und Computer mit schnellen Internetanschlüssen und einem funktionierenden WLAN in allen Klassenräumen eingerichtet, für die Lehrer konnte so der Einsatz digitaler Medien für den Unterricht zur Selbstverständlichkeit. Ein Beispiel: Alle Klassenräume haben – neben der klassischen Tafel – auch digitale Arbeitsflächen. Dazu kommen überall sogenannte „Dokumentenkameras“, so dass jeder Schülerbeitag im Heft, jeder Text oder jede Abbildung sofort digital projeziert werden kann – und auch Comuter und anderen Endgeräte unkompliziert angeschlossen werden können. Eine solche Ausstattung, mit der schnell und unkompliziert gearbeitet werden kann, ist auch 2020 an vielen Hamburger Schulen nicht selbstverständlich.
Ein (vorläufiges) Fazit nach 75 Jahren Schulgeschichte…
Im Rückblick waren die letzten 20 Jahren schulpolitisch durchaus „stürmisch“: Die Schulzeit wurde um ein Jahr verkürzt, eine sechsjährige Grundschule sollte eingeführt werden (und scheiterte), zentrale Abschlussprüfungen wurden installiert und die gymnasiale Oberstufe wurde grundlegend umgebaut.
Das alles hat die Schulgemeinschaft sehr beschäftigt und nicht mehr viel Raum für andere Projekte und Initiativen gelassen. Doch steht die Zeit nach der Jahrtausendwende auch für Kontinuität: Die Anmeldezahlen und damit auch die Schülerzahlen bleiben stabil, die Schülerschaft erwies sich weiterhin als aufgeschlossen, lernbereit und motivierbar und – durchaus nicht selbstverständlich – der Umbruch im Lehrerkollegium mit dem „Einzug“ von vielen jungen Kolleginnen und Kollegen konnte gut geplant und ohne Kontinuitätsbrüche bewältigt werden. (Hier wurde es zum Vorteil, dass Hamburg am Beamtenstatus festhielt und so eine unschlagbare Attraktivität in Verbindung mit dem „Großstadtleuchten“ entwickeln konnte. Aus ganz Deutschland kamen die motivierten und gut ausgebildeten Kollegen…)
So konnte das Gymnasium Oberalster seine pädagogischen Kernideen durch die Umbrüche bewahren: Seine Schülerinnen und Schüler mithilfe eines anspruchsvollen Unterrichtes zu differenziertem, eigenständigen Denken zu befähigen – und nicht jede „Wendung“ des Zeitgeistes sofort begeistert mitzumachen…