Cosa Nostra Nr. 4 (1985): Rolf Hauffe im Interview

Beim Sortieren und Stöbern im Gedächtnis der Schule (also unserem Schularchiv) sind wir auf ein Interview mit Rolf Hauffe vom Januar 1985 gestoßen, erschienen in der Ausgabe Nr. 4 der Schülerzeitung Cosa Nostra (im Interview: CN). Fast vierzig Jahre ist der Text alt, doch sein Inhalt ist jung geblieben, genau wie Rolf Hauffe, der auch als Pensionär immer noch Mathematikkurse fachkundig und schülerzugewandt zum Abitur führt… Für Anfang 2025 ist eine Neuauflage des Interviews unter dem Arbeitstitel „Bestandsaufnahme nach 40 Jahre…“ geplant.

Dr. Helge Schröder

CN: Wie schaffst Du es in einer Klasse akzeptiert zu werden oder Dich durchzusetzen? Besonders als Referendar muß das doch schwierig sein.

Rolf: Ich hab immer versucht eine ehrliche Persönlichkeit darzustellen, also mich so zu geben, wie ich sonst auch bin. Die Gefahr ist nur, daß man zu Beginn die Zügel etwas schleifen läßt und es dann den Bach runtergeht. Wenn man dann später anfängt zu schreien, kann es passieren, daß die Schüler den Lehrer nicht mehr verstehen. Da gibt es dann einen Bruch. Es ist also ungemein wichtig, schon von Beginn an auf eine gewisse Geregeltheit zu achten. Wenn sich das Bild dann im Nachhinein in die Gegenrichtung korrigiert, ist das sicherlich besser als andersrum.

CN: Bin Großteil der Schüler des GOA kommt aus gutsituierten Familien. Wirkt sich das auf den Unterricht aus?

Rolf: Was man merkt, und das ist wohl der zunehmenden Theorielosigkeit geschuldet, ist, daß das Interesse am GMK Unterricht mehr und mehr zurückgeht. Die gesellschaftlichen Probleme geraten meines Erachtens zunehmend in den Hintergrund. Diese Entwicklung ist auch an den einzelnen Jahrgängen an unserer Schule zu erkennen. Ich habe jetzt hin und wieder das Gefühl, daß so etwas wie Kleidung, angenehmes Leben, Surfen bei manchen sehr stark in den Vordergrund rückt.

CN: Was sind die Gründe für diese Entwicklung?

Rolf: Zum einen könnte es schon eine Rolle spielen, daß unsere Schule in einer gutsituierten Gegend liegt, so daß manche Probleme nicht so drängend empfunden werden oder nicht so sehbar sind, wie sie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene vorliegen.

Beispielsweise die Arbeitslosigkeit, obwohl ich so das Gefühl habe, daß dieses Problem auch für Schüler unserer Schule an Bedeutung gewinnt. Darüber hinaus gibt es dermaßen viele Angstmöglichkeiten, Ängste entstehen, die so gravierend sind, daß man sich dann auf eine oberflächliche Ebene begibt, um sich nicht dauernd mit diesen angstbesetzten Gedanken auseinandersetzen zu müssen. Also so eine Flucht vor der Realität.

CN: Inwieweit hat Dich die APO-Bewegung von 68 interessiert oder beeinflußt? Du warst damals 17.

Rolf: Insbesondere als es um die Verabschiedung der Notstandsgesetze ging und die Fahrpreiserhöhung der Bremer Straßenbahn, hat es auch von Seiten der Schüler immer wieder Proteste gegeben. Da ist es dann hin und wieder zu Blockaden und Streikaktionen gekommen, und an solchen Aktionen habe ich dann auch teilgenommen.

CN: Hat die ganze Entwicklung von damals weiterführende Konsequenzen für Dich gehabt?

Rolf: Ich denk schon, daß ich dadurch politisiert worden bin, was wohl auch dazu beigetragen hat, daß ich heute nicht „Nur Mathematiker“ bin.

CN: Bist Du eigentlich wirklich so cool wie Du Dich immer gibst, oder ist das eher eine Mauer die Du um Dich aufbaust?

Rolf: Der Eindruck, daß mich so leicht nichts aus der Fassung bringt, ist sicherlich richtig.

Ich glaub ‘ nicht, daß ich mir da eine Mauer aufbaue, sondern ich denke eher, daß mich viele Dinge einfach nicht so tangieren. Ich kann das irgendwie einordnen. Es ist schon ein Problem für mich, daß viele Schüler denken, daß ich so’n durch und durch rationaler Mensch sei.

Ich kann sehr wohl emotional sein. Das ist vielleicht auch ein Problem worunter ich persönlich etwas leide, weil daher der Zugang zu mir erst immer nach einer gewissen Anlaufzeit zu finden ist.

CN: Du bist ein großer Computer Freak, wie bist Du eigentlich dazu gekommen?

Rolf: Da gehört sicher auch so eine gewisse Spielleidenschaft dazu. So ganz konzentriert mal 5 Stunden rumzuknobeln, das ist für mich Entspannung und das kann auch mal so sein wenn ich mir überlege ein Programm zu schreiben. Die andere Seite ist, daß die Mikroelektronik eine zunehmende Rolle spielt, und ich finde, daß ein politisch interessierter Mensch auch nicht daran vorbeisehen kann, sondern sich auch in irgendeiner Form damit auseinandersetzen muß.

CN: Wäre es nicht sinnvoll in einem Mathe Grundkurs statt schwieriger, abstrakter Integralrechnungen, besser Rechenarten der Mittelstufe zu festigen, die man später verwenden kann ?

Rolf: Ich kann meinen Schülern auch nicht darlegen, daß es für sie ungemein wichtig sei, sich mit Integralrechnungen auseinanderzusetzen. Ich seh’ den Mathematikunterricht im wesentlichen darin, daß man hier Methoden erlernen kann, nämlich Methoden des exakten logischen Vorgehens, und das ist sicherlich auch übertragbar auf ganz andere Gebiete.

CN: Wie siehst Du eigentlich das Verhältnis der Lehrer am GOA zueinander?

Rolf: Ich find das sehr positiv. Die Verhältnisse sind relativ klar, aber es gibt natürlich auch Gruppierungen, wobei es aber nicht zu irgendwelchen Intrigen kommt.

CN: Es gibt also nicht so zwei Gruppen, die sich auf den Konferenzen angiften?

Rolf: Ne hin und wieder gibt es das schon aber relativ offen, wenn auch oft verklausuliert durch Scheinprobleme. Es geht aber nicht so weit, daß das zu täglichen Ränkespielchen führt.

CN: Hast Du schon mal ans Heiraten gedacht?

Rolf: Ich hab schon mal daran gedacht, aber wenn ich mit `ner Frau zusammenlebe, brauch ich keine staatliche Absegnung. Wenn wir zusammen leben wollen, dann brauchen wir das nicht vertraglich zu fixieren, und daher bin ich gegen die Ehe als Institution!

CN: Und zum Schluß noch die unvermeidliche Gretchenfrage: Wer wird deutscher Meister?

Rolf : Das ist doch klar.