E-Scooter – nützlich oder nervig?
Überall stehen E-Scooter und leuchten, um den nächsten Mieter auf sich aufmerksam zu machen – und das schon seit drei Jahren, mit der Erklärung, sie seien ein nachhaltigeres und schnelleres Gefährt der Zukunft. Aber werden sie überhaupt genutzt und ist es überhaupt lohnenswert, einen E-Scooter zu mieten?
Der Hauptgrund, weshalb die Roller so gepriesen werden, ist die vermeintlich nachhaltige Energie, mit welcher sie betrieben werden. Aber hat sich jemals jemand, der diese Meinung vertritt, ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie die Akkus wieder aufgeladen werden? Diese Aufgabe übernehmen freiberufliche Arbeiter, sogenannte „Juicer“ die pro aufgeladenen und wieder abgesetzten Roller nur etwa vier Euro verdienen, wovon sie die Hälfte wieder für ihren Privatstrom ausgeben, mit welchem sie die eingesammelten Roller beladen. Und auch die benutzten Transporter aus ihrem Privatbesitz benötigen Kraftstoff, denn der Anbieter stellt keine Fahrzeuge und keinen Strom. Ironischerweise werden diese ausgerechnet mit Diesel betankt. Es ist also nicht nur ein geringer bis gar kein Gewinn, der sich für die Arbeiter herausstellt, eine Form der Ausbeutung, sondern auch ein vorgeheucheltes Einsparen und vermeintlich umweltfreundlicheres Umgehen mit den Akkus, die in der Bilanz nur geringfügig besser ist. Das Handling mit den Stationen ist darüber hinaus auch verschieden. Ziehen wir als Beispiel unser Nachbarland Dänemark heran, welches Deutschland in den meisten Technologien deutlich vorangeht. Beispielsweise beträgt die Digitalisierungsrate an Dänemarks Schulen nahezu 100%, während es in Deutschland nur 33%(!) sind (Quelle: PISA 2018, Q1). Kehren wir zum Beispiel der E-Scooter zurück, wurden wir auch hier technologisch abgehängt, denn in Dänemark stehen die E-Scooter an von den Anbietern eingerichteten Ladestationen, die keine aufwendige Arbeit der geringverdienenden „Juicer“ erfordert und darüber hinaus Ordnung schaffen. Deutschlands Nutzer hingegen sind absolut unverantwortlich mit den zweirädrigen Gefährten. Häufig hört man von Elektrorollern, die überall stehen gelassen werden: Auf Fahrradwegen, auf Fußwegen und auch manchmal in Kleinstraßen – und das meist nicht am Rand des Bürgersteigs, sondern quer auf der Straße liegend. Zudem werden regelmäßig neben Fahrrädern auch immer mehr Scooter in die Alster geworfen [Q2]. Dies ist aber nicht nur in Hamburg aufgetreten, auch in der Hauptstadt Berlin wurden aus der Spree schon häufiger Scooter geborgen. Das zeigt nicht nur einen gesellschaftlich schlechten Umgang mit fremdem Eigentum, sondern führt auch zu einer Umweltverschmutzung. Ein weiterer Aspekt, auf den man hinweisen muss, ist, dass einige Nutzer der vermietbaren E-Scooter von den in Hamburg besonders vertretenen Anbietern wie Bird, Lime und Tier häufig gegen die Regeln verstoßen, die eigentlich zur Sicherheit im Verkehr dienen. So darf man unter dem Alter von 18 Jahren keinen Scooter mieten – fahren darf man allerdings schon ab 14 Jahren. Auch darf man nicht zu zweit auf einem Scooter fahren, auch wenn die Ladekapazität bei über hundert Kilo liegt [Q3]. Es gehört zum fast alltäglichen Bild, dass man zwei jugendliche gemeinsam auf einem Roller sieht. Aber immer häufiger sehe ich selber sogar Väter mit ihren wahrscheinlich nicht einmal zweijährigen, um den Bauch gebundenen Kindern. Im Falle eines Unfalls würde der Vater nicht derjenige sein, der größere Schäden erleidet, wenn er sich ein solches menschliches Polster vor den Bauch schnürt. Wie kann man nur so unverantwortlich sein? Das ist nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern auch in ethisches Problem, welches Unschuldige in Gefahr bringt, zumal sich die Verantwortlichen darüber wirklich nicht allzu viele Gedanken zu machen scheinen. Dieses mangelnde Verantwortungsbewusstsein, das bei den Fahrern vorherrscht, in Kombination mit hohen Fahrgeschwindigkeiten und der fehlenden Sicherheitsmaßnahmen, führt jedes Jahr zu unzähligen Unfällen im Straßenverkehr, die auf die E-Scooter zurückzuführen sind. 2021 wurden alleine in Hamburg 606 Unfälle registriert. Sie betrugen damit das Dreifache im Vergleich zum Vorjahr [Q4] – und das unter Pandemiebedingungen!
Klar mag der E-Scooter vielleicht für ein paar Menschen eine nützliche Sache sein, aber nachhaltiger als das Fahrrad ist auf gar keinen Fall. Die Distanzen, die man mit Scootern aufgrund der Ladekapazität zurücklegen kann, sind akkutechnisch begrenzt. Fahrräder – abgesehen von E-Bikes – sind nicht davon abhängig. Sie sind schneller und man kann größere Distanzen zurücklegen. Zudem sind die Gesetze für den Fahrradgebrauch fundierter, sie betragen geregeltere Strafen und sind durch diese höhere Sicherheit deutlich besser in den Straßenverkehr eingebunden [Q5].
Abschließend muss man sagen, dass es wichtig wäre, eine Verpflichtung einzuführen, sich zunächst über E-Scooter, deren Sicherheitskonzepte und Umgangsart zu informieren hat. Zudem müssen Strafen deutlich höher ausfallen, da sie die Gefährdungen des allgemeinen Straßenverkehrs nach dem Vorbild der Fahrradgesetze verringern würden. Vor allem aber sollte man nicht direkt Schlüsse über vermeintlich positive Aspekte von E-Scootern ziehen, auch wenn die Gefährte auf den ersten Blick nützlich erscheinen. Die Handhabung muss sich auf alle Fälle ändern, und Deutschland muss endlich anfangen, Geschwindigkeit bei technologischen Vorhaben aufzunehmen und sich andere Vorreiter als Beispiel nehmen. Nur so besteht vielleicht eine Möglichkeit darin, doch diese neuartigen Gefährte vernünftig in den Straßenverkehr aufzunehmen.
Carla Peinemann
Quellverweise:
[Q1]: Hrsg.: Augsburger Allgemeine. Internationaler Vergleich – Pisa-Erhebung: Deutsche Schulen sind bei der Digitalisierung abgehängt. (29.09.2020) Augsburger Allgemeine. URL: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Internationaler-Vergleich-Pisa-Erhebung-Deutsche-Schulen-sind-bei-der-Digitalisierung-abgehaengt-id58232591.html
[Q2]: Hrsg.: Hamburger Abendblatt. „Hamburg räumt auf“ – Polizei fischt E-Scooter aus der Alster. (21.09.2020) Hamburger Abendblatt URL: https://www.abendblatt.de/hamburg/article230475834/Hamburg-raeumt-auf-Polizeitaucher-finden-E-Scooter.html
[Q3]: Hrsg.: ADAC. E-Scooter: Diese Regeln gelten für Elektro-Tretroller. (17.09.2021) ADAC. URL: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/elektrofahrzeuge/e-scooter/
[Q4]: J. Witte. Deutlich mehr Unfälle mit Elektroscootern in Hamburg. (15.02.2022) Welt. URL: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article236920535/Verkehrsunfallstatistik-Deutlich-mehr-Unfaelle-mit-Elektroscootern-in-Hamburg.html
[Q5]: Hrsg.: ARAG. StVO und Fahrrad: Die Regeln und Bußgelder. (Stand: 2022) ARAG. URL:
https://www.arag.de/rechtsschutzversicherung/verkehrsrechtsschutz/strassenverkehrsordnung-radfahrer/