Dmytro Myeshkov, ein Mitarbeiter des Nordost-Instituts, betonte die vernachlässigte historische Dimension in der Diskussion, die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Russland und die asymmetrischen Beziehungen. Er kritisierte den Ökonomismus in der deutschen Ostpolitik und zweifelt, ob Russland jemals von seinen Ideologien abzubringen war.
Der deutsche Politikwissenschaftler Johannes Varwick sah wiederum legitime russische Sicherheitsinteressen verletzt und den Westen in Mitverantwortung, ohne ihm die alleinige Schuld zu geben. Er hält die Modernisierungspartnerschaft für richtig und alternativlos.
Das zweite Panel widmete sich der vielschichtigen Kulturpolitik zwischen Deutschland und Russland und bot spannende Einblicke durch renommierte Experten wie Dr. Jörg Morré, Prof. Dr. Klavdia Smola und Olaf Zimmermann.
Dr. Morré betonte eindrucksvoll die immense Bedeutung der russischen Kultur für die deutsche Kulturgeschichte und hob zahlreiche Beispiele kultureller Einflüsse und Wechselwirkungen hervor. Prof. Dr. Smola knüpfte an diese Ausführungen an, indem sie eine kritische Analyse der russischen Kultur präsentierte und deren Herausforderungen und Potenziale beleuchtete.
Die anschließende Debatte behandelte die komplexe Symbiose von Kultur und Politik und die oft unterschätzte Rolle der Kultur als diplomatisches Instrument.
Abschließend waren sich die Experten einig, dass die Kultur russischen Ursprungs nach wie vor eine bedeutende Rolle für die deutsche Kultur spielt und dass dieser kulturelle Dialog ein wertvolles Instrument für die zukünftige Zusammenarbeit und Verständigung darstellt.
Ein oft vernachlässigter Streitpunkt im Ukrainekonflikt ist die Erinnerungskultur der deutsch-russischen Geschichte. Der aktuelle Umgang damit war das Thema des dritten Panels der Tagung.
Auch wenn durch den Krieg die Zusammenarbeit stark eingeschränkt wurde, müsste weiterhin sichergestellt werden, dass die zahlreichen Gedenkstätten wie Gräber oder Denkmäler nicht in Vergessenheit geraten. Dies gestalte sich angesichts der russischen Propaganda immer schwieriger, die begonnen habe, die Gedenkstätten entweder zu vernachlässigen oder umzudeuten. So würden beispielsweise stalinistische Opfer verharmlost und die Gedenkstätten der ehemaligen Straflager verschwinden.
Gleichzeitig würden auch die Handlungen Deutschlands zur Aufrechterhaltung dieser Erinnerungskultur instrumentalisiert, um die eigene Propaganda zu unterstützen. Nun ließe es sich leider nicht vermeiden, Russland als Partner einzubinden, da es trotz seiner anderen Staatsform und Werte der Ansprechpartner bleibt. Ein reines Gedenken von der Täterseite sei schließlich nie ausreichend. Deswegen gehe es laut einer Mitarbeiterin von Memorial Deutschland momentan in der „Eiszeit mit Russland“ darum, „das Erreichte zu bewahren und die junge Generation bei der Stange zu halten“, um auch in Zukunft die Erinnerungskultur nicht zu vergessen.
Die Folgen der Unterbrechung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland aufgrund des Ukrainekonflikts sowie die Beendigung von Städtepartnerschaften waren Gegenstand der vierten Diskussionsrunde. Zu Beginn beleuchteten die Redner die Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen und die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und der zweitgrößten russischen Stadt St. Petersburg. Dabei wurden die politischen Chancen und die Fortschritte in der Wissenschaft, die durch die Zusammenarbeit erzielt wurden, ausdrücklich gelobt. Anschließend wurden die Krisen in der deutsch-russischen Zusammenarbeit, wie die Kubakrise, behandelt, die nur selten das ansonsten ununterbrochene Miteinander störten.
Daraufhin folgte eine Debatte über die Vor- und Nachteile der unterbrochenen wissenschaftlichen Kooperation sowohl mit russischen Institutionen als auch mit einzelnen Wissenschaftlern aus Russland. Ein besonders spannendes Argument gegen die Unterbrechung war, dass regimekritische Wissenschaftler in Russland dadurch vollständig isoliert werden könnten, da sie von keiner Seite Unterstützung erhielten – weder von russischer noch von europäischer Seite. Zudem könnte die Ausschließung russischer Studenten und Wissenschaftler an deutschen Universitäten als Überschreitung einer roten Linie betrachtet werden.
Im letzten Abschnitt der Tagung ging es heiß her, es kam zu sehr gegensätzlichen Äußerungen und Behauptungen. Eine der anwesenden Experten äußerte die Ansicht, dass selbst die Russen auf einen Sieg der Ukraine hoffen. Dem widersprach eine andere Position, die betonte, dass die Russen sehr wohl über die Lage in der Ukraine informiert seien und dennoch ihre Regierung unterstützen.
Die Tagung bot spannende Einblicke in die historische Beziehung zwischen Deutschland und Russland und lieferte zugleich wertvolle Perspektiven für die Zukunft, um die Frage zu beantworten, wie mit Russland als Aggressor in Zukunft umzugehen ist.
S2 PGW-Profil mit Henri Bülau, Daniel Gorbunov, Jakob Hillebrand, Mads Holtzmann, Malleka Jalali, Katharina Kätzler, John Phlipp Lührs, Julian Ostermann, Anton Plückhahn, Ilvy Puls und Niklas Schöne. Redaktionelle Leitung und Bearbeitung: Jakob Hillebrand.